Hallo Stefan,
volzotan nimmt mir die Worte aus dem Mund, bin beruflich etwas eingespannt und ich dachte, vielleicht hat jemand kürzlich beide Scheiben im Vergleich genutzt und kann frisch aus der Praxis berichten.
Die Scheiben G und J kann man schlecht vergleichen.
Die "J" ist eine sogenannte superhelle Scheibe, die ein 20 Prozent helleres Sucherbild liefert als die normalen Scheiben wie z.B. A, B oder E (Standard). Sie hat den Vorteil, dass sie auch bei Abblenden fast nicht dunkler wird. Erreicht wird das durch über die gesamte Fläche verteilte Mikrowaben, die das Licht bündeln. Das hat allerdings den Nachteil, dass das Sucherbild unnatürlich aussehen kann, dass es Farbsäume und Moireemuster geben kann. Aber dafür kann man damit sehr gut auf dunkle Motive scharfstellen. Geeignet ist die Scheibe "J" für Brennweiten von 14 bis 200 mm. Für Objektive ab 300mm sowie Makros ist dann die fast identische "K" geeignet,dort sind die Waben anders konstruiert und auf den veränderten Winkel der Lichtstrahlen bei längere Brennweiten optimiert.
Die Scheibe "G" ist dagegen keine superhelle Scheibe sondern "lediglich" wie auch die übrigen FN-Scheiben praktisch strukturlos und deutlich heller als die F-1-alt-Scheiben (obwohl es dafür zuletzt auch noch Laserscheiben gab). Die Besonderheit der Scheibe "G" mit zentralem Mikroprismenraster (ohne Schnittbild) ist die, dass der Flankenwinkel der Prismen auf Lichtstärken zwischen 3,5 und 5,6 abgestimmt ist. Lichtstarke Optiken (1,2 bis 2,8) lassen sich damit schlechter einstellen, weil die Keile abdunkeln. Für die helleren Objektive ist dann die Scheibe "F" besser geeignet, wobei die Brennweite keine Rolle spielt.
Der Effekt des Abdunkelns ist von den früheren Kameras bekannt, beispielweise bei der AE-1 und Co. Wenn man nicht exakt durch die Mitte sieht, dunkelt einer der Keile des Schnittbildentfernungsmessers ab. Bei der Scheibe "B" für die F-1 N hat Canon dies Problem überwunden durch unterschiedliche Flankenwinkel im Schnittbildentfernungsmesser: Selbst bei 5,6 dunkeln sie noch nicht ab und bei größeren Blendenöffnungen kann man sogar schräg in den Sucher blicken ohne dass der Messer duster wird.
Du wirst sicher wissen, dass es die meisten der 13 Scheiben in mehreren Ausführungen gibt: Für Integralmessung (A) und Selektivmessung (P) und sechs auch für Spotmessung (S). Du musst beim Kauf auf die richtige Buchstabenkombination in der Bezeichnung achten (z.B. PE oder AK).
Die Scheibe "G" ist hervorragend geignet für die Objektive FD 4/17mm, 3,5/135, 4/200, 4/300, 5,6/300, 4,5/400, 4,5/500, 4,5/600, 5,6/800, 4/35-70, 3,5/35-105, 3,5/50-135, 4,5/70-150, 4/70-210, 4/80-200, 4,5/85-300, 5,6/100-200, 5,6/100-300, 4/200 Macro.
Sie ist mit den Scheiben F, J und K die mit den meisten "hervorragend" Bewertungen beim Test der Objektivkombinationen. Die anderen Kombinationen haben meist "gut" (ausreichende Randhelligkeit, kein Abdunkeln bei voller Öffnung).
Ungeeignet ist die Scheibe "G" bei keinem Objektiv. Unter Vorbehalt (Abdunklung nicht ausgeschlossen) sind die Kombinationen Scheibe "F" mit 4/17mm und 2,8-3,5/35-70mm, "L" mit Fischauge 7,5mm sowie "J" und "K" mit den Zooms 85-300 , 100-200 und 100-300. Scharfstellen kann man damit trotzdem, nur nicht so perfekt wie mit den Idealkombinationen.
Okay, noch was zum praktischen Einsatz. Ich hatte als langjähriger F-1(alt)-Nutzer mir erst 1991 meine erste F-1New zugelegt und danach auch mehrere Einstellscheiben, weil das endlich eine sinnvolle Erweiterung der zwar guten, aber für Automatik nicht immer perfekten F-1-Selektivmesstechnik war.
Nach vielem Probieren (vor allem die Spotscheiben waren hilfreich, kamen aber nur selten zum Einsatz, weil Bühnenfotografie etc weniger als 10 Prozent meiner Motive ausmachte), reduzierte sich der Einsatz aber letztlich auf drei Scheiben - eine Spotscheibe, die Gitterscheibe D (Selektiv) und meist die neue Kreuzschnittkeilscheibe "L", die nahezu genial ist, weil man auf horizontale und vertikale Linien gleichzeitig scharfstellen kann, ohne die Kamera drehen zu müssen (hier nutze ich die Version P = selektiv, 12 Prozent).
Die superhelle Scheibe K (das Gegenstück zur von dir gefragten Weitwinkelscheibe J) habe ich auch, sie ist für Makros und Teles über 300mm geeignet und gibt auch ein erstaunliches Sucherbild aber sie ist (wie die J) eine Vollmattscheibe ohne Einstellhilfen.
Ums kurz zu machen: In der Praxis sind nach meiner Meinung die Kreuzschnittkeilscheibe "L" und auch die neue Schnittbildscheibe "B" das beste Instrument, wenn unterschiedliche Motive vor wechselnde Linsen kommen. Denn das Scheibenwechseln im laufenden Betrieb kann riskant sein. Letztlich ist es eine persönliche Entscheidung. Die Standrdscheibe E ist eine gute Kombination mit herkömmlichem Schnittbild und herkömmlichem Mirkroprismenring, aber auch schon schön hell.
Zudem sollte man die richtige Eignung im Kopf haben, auf den Schachteln steht es ja dummerweise nicht drauf, ich hatte mir deshalb eine Mikrotabelle (noch mit Schreibmaschine und Fotokopierverkleinerung) auf das Batteriefach geklebt (Foto).
- Canon - Canon EOS-1D Mark II
- 105.0 mm
- ƒ/9
- 1/20 sec
- Manual exposure
- ISO 320
Wenn in der Praxis keine Probleme bei Auswahl und Handling bestehen, macht die Scheibe J (wie K) schon Sinn im jeweiligen Aufgabengebiet, man hat dann aber Probleme, wenn schnell ein anderer Brennweitenbereich nötig ist und das Sucherbild dann nicht mehr so 100prozentig passt.
Gruß, Thomas
P.S.: Gerade habe ich mir nochmal die Pressemitteilung angesehen, mit der Canon Euro-Photo im Juli 1981 die F-1New ankündigte. Sie kam im September/Oktober 1981 in Deutschland auf den Markt. Wir konnten also vor kurzem auf 30 Jahre F-1New und 40 Jahre F-1 insgesamt anstoßen.