Forticus
Aktives Mitglied
... im Sinne von vorzeigbar
Hallo zusammen,
bei vielen Bildern, die ich hier im Forum gesehen habe, bekam ich den Eindruck dass sie "fertig aus der Kamera" kommen, zB wenn "nur" Kamera und Objektiv genannt werden. Auch einige Diskussionen habe ich gesehen, ob und was man noch machen könnte oder darf. Die scheinen mir dann aber auf hohem Niveau in dem Sinne, dass ich die Unterschiede gar nicht oder nur nach längerem Suchen erkenne. Also schieß ich jetzt einfach mal mit ein paar eigenen Grübeleien los:
Trotz Zoom bekomme ich selten direkt das gewünschte Bildfeld: für mehr Licht oder bessere Fokusbedingungen plane ich bei der Aufnahme das spätere Ausschneiden am Computer ein. Meine Bildbearbeitung beschränkte sich bisher im Wesentlichen auf leichte Drehungen und Ausschnitte. Erst in den letzten Wochen spiele ich mehr oder weniger systematisch mit Farben und all den kleine Rädchen in Apples Aperture. Während Ausschnittswahl und Aufhellung für mich gefühlt noch "realitätsnah" sind, hält mich der Gedanke an "Fälschung" von Eingriffen in Farbe, Schärfe, Kontrast ab. Und Fälschung ist irgendwie ... schlecht.
Beispiel 1: Kreuzspinne, durch das Fenster. ISO 200, 34mm(DX)
Links: jpeg ohne mir bekannte Veränderungen
Mitte: drehen, positionieren des Drittelpunktes auf die "Stirn", schneiden
Rechts: "allgemeine Verbesserungen", ein pre-set von Aperture (Kontrast, Tonwerte, Kanten): die Spinne wird grell, dafür hat man mehr Spinnweben.
Ist das ein Problem der Dynamik und mit RAW besser in den Griff zu bekommen?
Je nach Drehung und Positionierung der Spinne mittig oder im Drittelpunkt links unten ließen sich noch Lauern oder Bewegung "erzählen". Bei solch vielen Möglichkeiten habe ich die Befürchtung, das "Richtige" zu übersehen. Ähnlich ergeht es mir beim Schreiben von Geschichten.
Beispiel 2: "Bergsteiger", Turmdeckelschnecke im Aquarium. ISO 800, 55mm(DX), wegen Blitzgefahr im Aquarienglas leicht schräg aufgenommen
Links: jpeg ohne mir bekannte Veränderungen
Rechts: zentrieren, schneiden, Weißabgleich, "allgemeine Verbesserungen" (Aperture wie oben)
Sehe gerade, dass die Bilderanzahl auf 6 limitiert ist. Daher habe ich das "mittlere Bild ohne Verbesserungen" ausgespart. Tatsächlich gefallen mir hier die verbesserten schärferen Steinchen. Die Verbesserungen gehen mir allerdings schon weg von der Dokumentation hin zur Präsentation (Produkt/Werbung) und das Rauschen im oberen Bildteil könnte vom Aquarienglas stammen. Ist das letztlich eine Frage wie beim Wein? Er schmeckt oder schmeckt nicht?
Beispiel 3: Sterbebildchen, unbearbeiteter Scan eines Papierabzuges, Kamera unbekannt
Als ich dieses Urlaubsfoto meiner Eltern das erste Mal sah, dachte ich spontan "Das geht ja gar nicht!": der läuft ja aus dem Bild raus und der See köpft ihn noch dazu. Ich habe es mir seinerzeit schön geredet, weil es ein Wanderurlaub war und das Bild auf seine Art eine gewisse Bewegung erzählt.
Das Komponieren eines Bildes ist bei mir eher intuitiv, zB dass ein sich bewegendes Tier oder eine Person in das Bild hineinläuft, wenn sie mich anschaut. Immerhin: einer der Drittelpunkte liegt hier auf dem Ellebogen.
Einige Jahre später ging mein Vater dann dort hin, wo jeder von uns irgendwann hin geht. Ein Ausschnitt des Bildes erschien in schwarzweiss mit einem einseitigen Nachruf in einer Zeitschrift. Seit dem hat das Bild mit dem Titel "Er ist von uns gegangen" einen besonderen Platz in meiner Erinnerung. Kann es sein, dass Bilder erst nachträglich "gut" werden oder bin ich hier befangen?
Wenn ich mich an den Fotokurs in der Schule so vor 30 Jahren recht erinnere, haben wir entwickelt, Ausschnitte vergrößert und dabei mit der Körnung gespielt. Aber Bilder nicht "bearbeitet". Andererseits ist das was ich in den letzten Tagen über HDR gelesen habe seit Jahrzehnten ein Standardverfahren in der Astronomie, samt Einsatz von Spezial-Filtern. Muss ich mich bei der Fotografie von Begriffen wie Realität und Dokumentation verabschieden? Ist alles erlaubt, was gefällt?
Herzlichen Gruß
Martin
Hallo zusammen,
bei vielen Bildern, die ich hier im Forum gesehen habe, bekam ich den Eindruck dass sie "fertig aus der Kamera" kommen, zB wenn "nur" Kamera und Objektiv genannt werden. Auch einige Diskussionen habe ich gesehen, ob und was man noch machen könnte oder darf. Die scheinen mir dann aber auf hohem Niveau in dem Sinne, dass ich die Unterschiede gar nicht oder nur nach längerem Suchen erkenne. Also schieß ich jetzt einfach mal mit ein paar eigenen Grübeleien los:
Trotz Zoom bekomme ich selten direkt das gewünschte Bildfeld: für mehr Licht oder bessere Fokusbedingungen plane ich bei der Aufnahme das spätere Ausschneiden am Computer ein. Meine Bildbearbeitung beschränkte sich bisher im Wesentlichen auf leichte Drehungen und Ausschnitte. Erst in den letzten Wochen spiele ich mehr oder weniger systematisch mit Farben und all den kleine Rädchen in Apples Aperture. Während Ausschnittswahl und Aufhellung für mich gefühlt noch "realitätsnah" sind, hält mich der Gedanke an "Fälschung" von Eingriffen in Farbe, Schärfe, Kontrast ab. Und Fälschung ist irgendwie ... schlecht.
Beispiel 1: Kreuzspinne, durch das Fenster. ISO 200, 34mm(DX)
- NIKON CORPORATION - NIKON D70s
- 34.0 mm
- ƒ/4.5
- 1/60 sec
- Pattern
- Auto exposure
- ISO 200
- NIKON CORPORATION - NIKON D70s
- 34.0 mm
- ƒ/4.5
- 1/60 sec
- Pattern
- Auto exposure
- ISO 200
- NIKON CORPORATION - NIKON D70s
- 34.0 mm
- ƒ/4.5
- 1/60 sec
- Pattern
- Auto exposure
- ISO 200
Links: jpeg ohne mir bekannte Veränderungen
Mitte: drehen, positionieren des Drittelpunktes auf die "Stirn", schneiden
Rechts: "allgemeine Verbesserungen", ein pre-set von Aperture (Kontrast, Tonwerte, Kanten): die Spinne wird grell, dafür hat man mehr Spinnweben.
Ist das ein Problem der Dynamik und mit RAW besser in den Griff zu bekommen?
Je nach Drehung und Positionierung der Spinne mittig oder im Drittelpunkt links unten ließen sich noch Lauern oder Bewegung "erzählen". Bei solch vielen Möglichkeiten habe ich die Befürchtung, das "Richtige" zu übersehen. Ähnlich ergeht es mir beim Schreiben von Geschichten.
Beispiel 2: "Bergsteiger", Turmdeckelschnecke im Aquarium. ISO 800, 55mm(DX), wegen Blitzgefahr im Aquarienglas leicht schräg aufgenommen
- NIKON CORPORATION - NIKON D70s
- 55.0 mm
- ƒ/5.6
- 1/60 sec
- Pattern
- Auto exposure
- ISO 800
- NIKON CORPORATION - NIKON D70s
- 55.0 mm
- ƒ/5.6
- 1/60 sec
- Pattern
- Auto exposure
- ISO 800
Links: jpeg ohne mir bekannte Veränderungen
Rechts: zentrieren, schneiden, Weißabgleich, "allgemeine Verbesserungen" (Aperture wie oben)
Sehe gerade, dass die Bilderanzahl auf 6 limitiert ist. Daher habe ich das "mittlere Bild ohne Verbesserungen" ausgespart. Tatsächlich gefallen mir hier die verbesserten schärferen Steinchen. Die Verbesserungen gehen mir allerdings schon weg von der Dokumentation hin zur Präsentation (Produkt/Werbung) und das Rauschen im oberen Bildteil könnte vom Aquarienglas stammen. Ist das letztlich eine Frage wie beim Wein? Er schmeckt oder schmeckt nicht?
Beispiel 3: Sterbebildchen, unbearbeiteter Scan eines Papierabzuges, Kamera unbekannt
Als ich dieses Urlaubsfoto meiner Eltern das erste Mal sah, dachte ich spontan "Das geht ja gar nicht!": der läuft ja aus dem Bild raus und der See köpft ihn noch dazu. Ich habe es mir seinerzeit schön geredet, weil es ein Wanderurlaub war und das Bild auf seine Art eine gewisse Bewegung erzählt.
Das Komponieren eines Bildes ist bei mir eher intuitiv, zB dass ein sich bewegendes Tier oder eine Person in das Bild hineinläuft, wenn sie mich anschaut. Immerhin: einer der Drittelpunkte liegt hier auf dem Ellebogen.
Einige Jahre später ging mein Vater dann dort hin, wo jeder von uns irgendwann hin geht. Ein Ausschnitt des Bildes erschien in schwarzweiss mit einem einseitigen Nachruf in einer Zeitschrift. Seit dem hat das Bild mit dem Titel "Er ist von uns gegangen" einen besonderen Platz in meiner Erinnerung. Kann es sein, dass Bilder erst nachträglich "gut" werden oder bin ich hier befangen?
Wenn ich mich an den Fotokurs in der Schule so vor 30 Jahren recht erinnere, haben wir entwickelt, Ausschnitte vergrößert und dabei mit der Körnung gespielt. Aber Bilder nicht "bearbeitet". Andererseits ist das was ich in den letzten Tagen über HDR gelesen habe seit Jahrzehnten ein Standardverfahren in der Astronomie, samt Einsatz von Spezial-Filtern. Muss ich mich bei der Fotografie von Begriffen wie Realität und Dokumentation verabschieden? Ist alles erlaubt, was gefällt?
Herzlichen Gruß
Martin