Darüber hinaus reicht die Geschichte des Menschen wesentlich weiter zurück als 100.000 Jahre. Und schon wesentlich früher haben Menschen angefangen, zum Beispiel gemeinsam zu Jagen, sich um verletzte oder alte Familienmitglieder zu kümmern.
Die These um die >100.000 Jahre ist konservativ geschätzt und stammt zudem von renommierten Verhaltensforschern. Es gibt sogar vage Belege, daß Wolf und Mensch schon vor über 400.000 Jahren zusammenfanden...
Dong Wei et al.
A Comparative Analysis on the Mammalian Faunas Associated with Homo erectus in China
Acta Anthropologica Sinica, Vol. 19 Suppl., pp. 246-256
Tatsache ist, daß rezente Primaten zur gezielten Kooperation völlig unfähig sind. Salopp ausgedrückt ist z.B. eine "Jagdgemeinschaft" aus Schimpansen auf beispielsweise kleine Halbaffenarten, kleinere Antilopen o.ä. ein einziger chaotischer Sauhaufen: Kein Spur von Zusammenarbeit oder gar strategischem Denken, Beutemachen ist reine Zufallssache.Ebenso ist es Tatsache, daß der Mensch nicht die einzige Art darstellt, die sich um Alte und Verletzte kümmert. Gerade bei Caniden ist dieses Verhalten verbreitet, nicht nur bei
Canis lupus ssp., sondern in verstärktem Maße auch beim Afrikanischen Wildhund
Lycaon pictus. Die Verhaltensforschung ist derzeit stark im Fluß und so manches Vorurteil aus früheren Zeiten, das auf einer geradezu manischen Furcht vor Anthropomorphisierung und einem unreflektierten Überlegenheitsgefühl des Menschen beruht, fällt derzeit.
Eine weitere Aufarbeitung des Themas findet sich z.B. bei Bloch & Radinger "Affe trifft Wolf".
Wie auch immer, der Zeitpunkt der "Domestikation" des Wolfes (in Anführungszeichen deshalb, weil dieser Begriff aufgrund des wechselseitigen Einflußes von Wolf/Hund und Mensch nicht mehr haltbar ist), muß immer weiter zurückgeschoben werden. Die neusten fossilen Belege für Hunde (nicht Wölfe! Es bestehen deutliche Abweichung im Schädelaufbau!) datieren auf ca. 40.000 b.p., nach paläonthologischen Untersuchungen und mündlichen Überlieferungen hat z.B. die Heiltsuk-Nation zumindest seit dem letzten Glazial in der Region buchstäblich mit Wölfen zusammen gelebt (Ian McAllister), was sich in deren mündlichen Überlieferungen widerspiegelt.
Das alles ist auch insofern logisch, daß der Wolf das einzige Tier auf der Erde ist, das einen Menschen als
vollwertiges Rudelmitglied in die eigene Sozialstruktur integrieren kann, sofern der Mensch bereit ist, ihre Regeln zu berücksichtigen.
Das nett zu lesende Märchen in den Schulbüchern, das behauptet, der Mensch habe vor 14.000 Jahren den Wolf zum Hund domestiziert, kann man getrost "in die Tonne kloppen", denn das ist völlig veraltet und Wissensstand von vorvorgestern...
Wie gesagt, a bisserl OT, aber über den Wolf resp. Hund kursieren zu viele falsche Informationen und das Thema ist mir wichtig...
Gruß
Wolf