Moin mal wieder,
ich möchte dieses Thema nochmals aufgreifen, da ja die (möglichen) Erkenntnisse aus meiner kleinen Test-Reihe bislang noch nicht behandelt wurden. Im Nachhinein ärgert es mich ein bißchen, dass ich nicht sauber genug gearbeitet habe und mir bei den unterschiedlichen Aufbauten somit leider keine 1:1 deckungsgleichen Bildausschnitte gelungen sind, aber Näherungsweise lässt sich aus meiner Sicht doch schon so manches ableiten.
Vorab: wir haben in diesem Thread einige Bilder gesehen, die jedes für sich betrachtet eine gute Freistellung mit schönem Bokeh zeigen und sich potentiell als Portraitlinsen im hier erfragten Anwendungsbereich eignen.
Da wären die 70mm bei f2,8 und das 300er f4 Portrait von Werner, beide stellen sehr gut frei und zeigen schöne Portraits. Dann wäre da das "lichtschwache" Portrait einer Katze, das Harry zeigte, als Beispiel dafür, dass Brennweite große Blenden in einem gewissen Rahmen auszugleichen vermag. Nicht zuletzt wäre noch das Bild von Sylvia zu nennen, ein Halbkörper-Portrait mit dem 100er Makro geschossen. Das entscheidende bei diesem Bild ist für mich, dass sich der Abstand Motiv / Hintergrund abschätzen lässt... Weit...
Ich möchte nochmal kurz auf das Thema Brennweite und Perspektive zurückkommen, welches hier etwas zu kurz kommt. Wie weiter oben bereits geschrieben strecken Weitwinkel die Perspektive, Tele-Brennweiten stauchen die Perspektive. Wie ebenfalls schon mehrfach angemerkt, gibt es die sogenannten "klassischen" Portraitbrennweiten, die sich im Bereich
80-150mm am Kleinbild (ein bißchen erweitert)bewegen. Das entspricht an unseren Crop-Sensoren Brennweiten zwischen
50mm und 100mm. Bei diesen Brennweiten werden die Proportionen des Gesichtes am gefälligsten dargestellt.
Zur Erinnerung: durch veränderte Brennweite verändern sich grundsätzlich Perspektive und Bildwirkung. Aber:
Perspektive und Bildwirkung verhalten sich am Cropsensor ebenso äquivalent zum KB-Sensor, wie Brennweite und Blende.
Soll heißen (anhand eines Beispiels, bei der Äquivalenzrechnung wird der einfachheit halber gerundet): Ich mache ein
Kopfportrait mit einem 85mm Objektiv an einer Kleinbildkamera. Um nun die gleiche Bildwirkung und den gleichen Bildschnitt zu erreichen, muss ich
an einer Crop-Kamera ein 55er Objektiv einsetzen (85mm / 1,53 = 55).
Bei gleichem Standort (Motiv-Abstand) erreiche ich exakt die gleiche Perspektive, exakt den gleichen Bildschnitt!
Ich schreibe dies hier nochmal in aller Deutlichkeit, weil sich viele (und das ist nicht als Unterstellung an die User dieses Forums zu verstehen), dem Irrglauben hingeben, die Brennweite allein entscheide über die perspektivische Darstellung, also 150mm am KB wirken genauso wie 150mm am Crop, man muss halt nur weiter weg (mit dem Crop jetzt).
Nochmal in aller Deutlichkeit:
Das ist falsch! Beim Wechsel auf ein anderes Format verhält sich von Brennweite über Blende bis hin zur Perspektive...
Ich persönlich arbeite(te) am KB bei Portraits mit Brennweiten vom 85-135mm. In Ausnahmefällen bin ich bis 200mm hochgegangen, für Ganzkörper durften es auch mal 50mm oder gar 35mm sein.
Daraus resultierte bei meiner Umstellung auf Pentax die Anschaffung des 50-135mm (das entspricht dann ziemlich genau 75-200mm KB). Längere Brennweiten sind für mein Empfinden schon grenzwertig. Klar, das von Werner gezeigte Portrait, das mit dem 300er entstanden ist, spricht für sich. Hier kommt die Perspektive aber zu Gute. Ein schräg zur Aufnahmeebene gestelltes Gesicht vermeidet oder relativiert den "platten" Eindruck der langen Brennweiten.
Soll nun aber ein Objektiv angeschfft werden, mit dem regelmäßig und häufig Portraits angefertigt werden, würde ich von den langen Brennweiten ganz klar abraten. Hinzu kommen natürlich die Platzverhältnisse. Je länger die Brennweite desto weiter weg muss ich stehen...
Nochmal zu den eingangs erwähnten Bildern in diesem Thread: sie zeigen alle samt was geht, lassen aber - bis auf die Aufnahme von Sylvia) keinerlei Rückschluss darauf zu, wie die Begebenheiten vor Ort waren.
Daher meine kleine Serie, um diese ganzen Blende-, Perspektive-, Entfernungszusammenhänge mal plakativ drzustellen. Also nun endlich zurück zu meinen Bildern. Um ein paar KLeinigkeiten, über die ich hier nun schon "seitenweise" lamentiert habe zu verdeutlichen, möchte ich mal 2 Bilder direkt gegenüber stellen:
Aufbau 4: 135mm @ f2,8
Aufbau 3: 50mm @ f2,8
Zur Erinnerung: Der Abstand Motiv zu Hintergrund blieb unverändert, ich habe ausschließlich die Position der Kamera und die Brennweite verändert.
Auch wenn mir die 1:1 Bildausschnitte nicht gelungen sind (ich kann mich nicht genug rügen), so zeigen die Bilder doch deutlich den perspepktivischen Unterschied: Der
Hintergrund wirkt bei 135mm deutlich näher, als bei 50mm -> die Perspektive wird gestaucht. Ich glaube, man kann sich vorstellen, wie sich dieser Effekt auswirkt, wenn man eine noch längere Brennweite wählt und dann ein Frontal-Portrait fertigt
Der "nähere" Hintergrund hat aber noch einen weiteren Effekt, der leider bei dem recht grafischen Hintergrund den ich gewählt habe, nicht so gut zur Geltung kommt: Einzelne Elemente innerhalb des Bokehs bleiben durch die "Vergrößerung" besser erkennbar. Dafür nimmt die 50er Brennweite mehr vom Hintergrund mit. Kann beides jeweils ein Nachteil sein
Dies aber nochmal um meine Dämlichkeit relativiert, ich hatte - wie unschwer zu erkennen - auch einen etwas anderen Winkel zum Motiv
Den schöneren Schärfeverlauf zeigt meiner Meinung nach das 50er, eben aus de Grunde, dass weniger gestaucht wird und somit mehr Tiefe für den Verlauf vorhanden ist.
Also mein Fazit aus der Aktion ist das ich zwar weiterhin zum Beispiel an dem Tamron 24-75 Interesse habe, es aber meiner Meinung nach für schönes Freistellen zu kurz ist, auch das von mir erwähnte Tamron Macro 90mm wäre mir wohl zum Freistellen ebenfalls eher zu kurz.
Dieses Fazit kann ich aber dennoch nicht ganz unterschreiben. Bei gleicher Lichtstärke mag die lange Brennweite sicher im Vorteil sein, wenn man die Thematik einzig und allein auf die Freistellung bezieht.
Andererseits zeigt nachfolgendes Beispiel meiner Meinung nach eindrücklich, dass die größte Blendenöffnung mehr Effekt nimmt, als die Brennweite:
Aus allen hier genannten Gründen bleibe ich bei meiner klaren Empfehlung: Endweder eine lichtstarke Festbrennweite, die teilweise sehr günstig zu haben sind. Oder eben, um es universeller zu haben, das 50-135. Warum kein 70-200? Meiner Meinung nach ist der Bereich 50-70mm im Portraitbereich wichtiger, als 135-200...
Diese Empfehlung gilt, wenn der Portraitbereich einen etwas größeren Anteil imi fotografischen Portfolio einnimmt.
Abschließend möchte ich nochmals betonen, dass ich mich bei dem hier geschriebenen ausschließlich auf meine Erfahrungen, Vorlieben, z.T aber auch "allgemein anerkannte" und gelernte "Standards" beziehen.
Mich würden Erkenntnisse / Erfahrungen / Meinungen anderer zu dem Thema durchaus interessieren...
Beste Grüße, Jan