Moin Mona,
Also, das hört sich alles wirklich nicht so locker und leicht an und es riecht nach Stress und Entbehrungen, vor allem nach Frust.
Nee, locker und leicht geht da nicht viel, auch wenn es auf der Bühne natürlich genau danach aussehen soll. Und das Frustpotenzial kann, vor allem während des Studiums und der Phase, in der man sich bewirbt und Probespiele macht - die sind tatsächlich der reinste Horror - sehr hoch sein.
Ich habe mich in der Schulzeit nicht oft so gefühlt, dass mir etwas fehlt. Ich hatte gut zu tun mit Üben und den Konzerten in dem Orchester meines damaligen Lehrers, in dem ich mit 14 angefangen habe, gemeinsam mit Kollegen aus den drei Hamburger Berufsorchestern zu spielen und nebenher ganz ordentlich zu verdienen. Und Disco war eh nie so mein Ding...
Das Studium war natürlich genauso arbeitsreich, hat aber auch viel Spaß gemacht und ich habe schnell gemerkt, dass ich von dem Unterricht bei meinem Hauptfach-Lehrer sehr profitiere. Selbst Tonsatz war cool - der Prof. war einfach genial. Großartig waren dann die Tourneen mit dem Jugendorchester der Europäischen Union und das Praktikum im NDR-Sinfonieorchester.
Seit 2002 spiele ich im Göttinger Symphonieorchester, wo ich mich von Anfang an wohl gefühlt habe. Künstlerisch ist das Orchester dank seines derzeitigen Chefdirigenten auf einem sehr guten Weg. Da lassen sich eher zweifelhafte Konzerte mit Kantoren, die selbst vor Bruckner-Sinfonien nicht zurückschrecken und die ernsthaft glauben, einem Berufsorchester den Elias erklären zu müssen, irgendwie verschmerzen (je schlechter der Chor, desto besser das Essen...).
Aber: Wir haben als Musiker mit einer erheblichen Anzahl Werke zu tun, die einen ehrfürchtig machen und auf die das Publikum - wenn eines im Saal ist - unmittelbar reagiert. Das sind Erlebnisse, die für sehr vieles entschädigen, die einen dauerhaft inspirieren und glücklich machen. Ich zehre zum Beispiel immer noch von einigen großartigen Konzerten mit dem EUYO (Enigma-Variationen in der Londoner Albert-Hall mit Sir Colin Davis, 5. Schostakowitsch im Teatro Colón in Buenos Aires mit Vladimir Ashkenazy, 7. Bruckner im NDR mit Günter Wand, im letzten Herbst eine großartige Pathetique vor einem ausgehungerten Göttinger Publikum, und ganz aktuell von den Aufnahmen der vier Brahms-Sinfonien mit unserem Chef und der Video-Produktion der Feuervogel-Suite, die gestern auf YouTube Premiere hatte).
Es ist sicherlich schwer, da den richtigen Weg zu finden um mit allen Begebenheiten und allen Widerständen glücklich und zufrieden zu sein.
Da gibt es nicht den einen Weg. Viele Dinge kann man ohnehin nicht beeinflussen. Aber wenn die Rahmenbedingungen einigermaßen stimmen, ist das ein sehr erfüllender Beruf, für den man vieles in Kauf nimmt. Ich könnte mir absolut nichts anderes vorstellen und die Idee, einzig zum Broterwerb irgendwas zu arbeiten, ist mir ein Graus.