Da drängt sich doch gleich wieder der Vergleich auf, in mehrfacher Hinsicht: Eine Stradivari in den Händen eines Anfängers, sei er noch so begabt, wird nach Anfänger klingen, in den Händen eines Könners, der das Instrument kennt, dagegen toll und wiedererkennbar nach genau diesem Musiker.
Gib mir eine Stradivari und sämtliche Katzen in der weiteren Nachbarschaft bekommen einen Schreikrampf...

Gib mir eine hundert Jahre alte Reisekamera aus Holz mit einem ebenso alten Objektiv und ich liefere Dir feine Landschaftsbilder, die keinen Vergleich zu scheuen brauchen.
Ich habe, wie so viele meines Alters, in der Schule Blockflöte lernen müssen. Rein mechanisch habe ich das irgendwann auch geregelt bekommen. Aber "mechanisch" kann man durchaus wörtlich nehmen, denn es war eine leblose Aneinanderreihung von Tönen ohne jeden Ausdruck, weil ich keinerlei Begabung für ein Instrument habe, obwohl ich eigentlich sehr gerne Musik höre, von Grieg über klassische, japanische Musik (ich liebe den Klang der Shaku Hachi, mit der man ganze virtuelle Landschaften zaubern kann...) bis hin zu Heavy Metal Balladen. Aber Instrument? Dafür langt es einfach nicht.
Beim Photographieren war ich dagegen schon als junger Spund von 12...13 Jahren auf Anhieb um Klassen besser als mein Vater (Hobbyphotograph), was der nie verwunden hat. Ohne das, was ich "Das Auge" nenne (bei Musikern gibt es garantiert eine vergleichbare Eigenschaft), nützt einem auch eine 30.000 € Phase One nichts. Hat man "Das Auge", langt dagegen schon eine uralte Plattenkamera, um Bilder zu schaffen, die die Menschen in ihren Bahn ziehen... Und selbst, wenn letzteres zutrifft, trifft's noch lange nicht für
jedes Photothema zu, denn es kommt noch ein weiterer Punkt dazu: Man muß zu dem, was man photographiert, eine innere Beziehung aufbauen, es verstehen können, sonst bleiben trotz Begabung die Bilder wie tot. Auch ich kenne z.B. meine Grenzen: Ich würde
niemals Babies oder Kinder photographieren (bei "süßen" Kinderphotos kriege ich die Krise...). Geld hin, Geld her, da heißt's "Such Dir einen anderen Photographen, der's besser kann!". Portraits mache ich erst dann, wenn sich Lebenserfahrung und Charakter in einem kantigen, ausdrucksstarken Gesicht widerspiegeln.
Mein persönliches Fazit: Man kann Photographieren
bis zu einem gewissen Grad lernen. Aber wer keine Begabung dafür mitbringt, wer nicht "Das Auge" besitzt, stößt irgendwann an Grenzen, die sich nicht technisch manifestieren (Schärfe, richtig belichtet, Komposition nach Regeln etc., typischerweise das, was in Photolehrbüchern steht), sondern in Bildanmutung, Stimmung, Bildsprache, in der Fähigkeit, mit der Kamera Emotionen visuell zu verdichten und zu zeichnen. Das ist der Grenzpunkt, an dem auch die teuerste Kamera nicht mehr weiterhilft, weil wahre Meisterschaft, die spielerische Leichtigkeit des Schaffens, die völlig unangestrengt wirkt, eine metaphysische Eigenschaft ist und keine erlernbare technische.
Gruß
Wolf