Hallo Dierk,
bis zu meinen gesundheitlichen Problemen in 1986, die mich zwangen meine Rennlizenz abzugeben, war ich aktiver Motorsportler. Ich habe so ziemlich alles an Autos gefahren, vom Kleinwagen bis zum Formelrenner, dazu auch etliche Motorräder, aber meine Passion war der Rallyesport. Die Petzval-Linse vergleiche ich mal mit dem Ur-Quattro: habe ich mich darauf spezialisiert, nehme aktiv am Rallyesport teil, dann ist so ein Teil der Knaller. Einem Führereschein-Neuling oder einem, der seit 30 Jahren sein Auto nur nutzt um morgens 5 Kilometer zur Arbeit zu kommen und abends wieder heim, vielleicht mal am Wochenende zum Großeinkauf in die nächstgelegene Stadt und einmal im Jahr in den Urlaub, für den wäre das absolut fehl am Platz! Der käme nicht mal lebend um die nächste Ecke mit dem Teil!
Genau so sehe ich das auch mit all den kreativen Möglichkeiten der Fotografie: auch wenn ich Spaß daran habe, mir mal ein Bild in 60x90 an die Wand zu hängen und vielleicht auch gestitcht mal größer, ich mich für Citylights begeistere, das Meiste was ich fotografiere ist leider immer noch Pflicht im Familienkreis. Hinzu kommt die Entspannung nach einem stressigen Arbeitstag in irgendeiner Stadt im Bereich Rheinland-Pflaz, Saarland und NRW, selten auch mal darüber hinaus. Also nix anderes als Millionen Menschen, die mal eine Kamera in die Hand nehmen um ein Erinnerungsfoto zu machen.
Als ich damals meinen Rennwagen verkauft hatte, wollte ich Rennsport fotografieren und habe mir von einem Teil des Erlöses meine erste Nikon gekauft. Der Nürburgring vor der Haustür, dazu diverse Rallye- und Motocrossstrecken, zog ich also los und machte einen Mitzieher nach dem anderen. Mit der Zeit und der damit verbundenen Übung wurden die sogar ansehnlich, und weil ich die Szene kannte (und die mich) kam ich auch an Aufnahmepositionen, die "normalen" Fotografen verwehrt blieben ... und dann kam das 24-Stunden-Rennen am Nürburgring: ich stand am Streckenabschnitt Wehrseifen, sah die rotglühenden Bremsscheiben in der blauen Stunde vor mir, im Hintergrund die untergehende Sonne über den Wäldern der Hocheifel, und unten tausende von Lagerfeuern! Das wollte ich festhalten, habe es über Jahre versucht mit mehr oder weniger Erfolg: mal eine schöne Landschaftsaufnahme, mal ein Mitzieher mit den Bremsscheiben, im nächsten Jahr dann mit Stativ die Lichtspur der Bremsscheiben und dazu die blaue Stunde und die Lagerfeuer, im übernächsten Jahr dann mit Blitz auf den zweiten Verschlussvorhang um das Auto mit den Bremsscheiben aufzuhellen ...
Eines habe ich dabei für mich gelernt: Mir gefallen "schöne" Bilder, also nicht die Darstellung von Tristesse oder unangenehmen Situationen. Weil in der Dunkelheit nur beleuchtet wird was schön anzusehen ist, mein Faible für Mathe und Physik den damaligen Herausforderungen der Langzeitbelichtung mit Schwarzschildeffekt und allem was dazu gehört entgegenkamen, war das mein Metier! Aufgehört habe ich dann Anfang der 90er, als ich mehr Zeit investieren musste um mein Gewicht wieder auf ein gesundes Maß zu bekommen (die Herzprobleme resultierten aus meinem Übergewicht) und mit meiner Frau den ersten eigenen Hausstand gründete. Erst nach gut 15 Jahren fing ich dann wieder mit einer Coolpix P7100 an, und seit gut 1,5 Jahren dann wieder mit einer SLR.
Aktuell bin ich an dem Punkt, dass ich mit meinen frontalen Standardansichten nicht mehr zufrieden bin und auch nicht immer zur blauen Stunde gerade passend meinen letzten Kunden hinter mir habe. Also schaue ich mir intensiv Andreas' Touridokus an, da ich diese Bilder in der Regel sehr schön finde. Aber auch andere Architektur- und Landschaftsfotos sprechen mich an. In dieser Richtung möchte ich expandieren, und eventuell schiebe ich noch eine Makrolinse dazwischen. Jetzt in eine Petzval-Linse zu investieren wäre für mich wohl wie für 90 % der Autofahrer in einen Ur-Quattro zu investieren: entweder Irrsinn oder ein Museumsstück oder ich muss mich intensivst da rein arbeiten. Für Irrsinn hab ich gar keine Lust, für ein Museumsstück kein Geld, und mich in diese kreative Schiene reinzuarbeiten habe ich im Moment weder Zeit noch Lust.
Das soll aber nicht heißen, dass ich das nicht faszinierend finde, mir teilweise auch gefällt. Schließlich gibt es etliche Motorsportfans, die selber noch nicht mal Auto fahren können! Nur für SW kann ich mich nur selten begeistern, und für IR noch seltener. Geschmackssache halt ...
Gruß
Jürgen