Hallo Dieter,
den Kommentar, daß ich das Bild nicht weiter verteidigen mochte, stand ja nicht am Anfang, sondern es gab schon eine rechte Diskussion im Vorfeld dazu; von daher hatte es schon seine Berechtigung hier eingestellt zu werden. Meine Idee hier zu stoppen, war der Erkenntnis geschuldet, daß die Diskussion nicht weiterführt und ich meine Gedanken schriftlich nicht so darlegen konnte, daß sie vom Gegenüber korrekt verstanden wurden. (oder vice versa)
Ich wollte einen Versuch starten, Bilder -auch bzw gerade in dieser Rubrik- emotional zu bewerten.
Ist ein Bild in der Lage, etwas auszulösen - auch wenn es nicht technisch perfekt ist. Ein Beispiel: es gibt unzählige Makrofotos von Blumen in diesem Forum (man möchte meinen, soviele Pflanzen gäbe es gar nicht). Sie sind alle so unwahrscheinlich gleich, obschon recht perfekt vom technischen Gesichtspunkt her. Aber sie sprechen einfach nicht mit mir.
Dann kommt da ein Bild daher, auch Makro, auch Blüte, aber am unteren Blütenblatt kämpft sich ein Käfer hängend seines Weges: das spricht an, da entsteht eine Geschichte, das berührt emotional. Und für mich hätte der Käfer gar nicht scharf sein müssen: es wäre ein tolle Bild geblieben.
Und diese emotionale Ebene, die aus meiner Sicht eigentlich die Wichtigste beim Fotografieren ist, wird in dieser Rubrik komplett untergebuttert.
Aber das ist ja ok - wenn es so gewollt ist. Nur dann ist es eben am besten, man beendet, weil man unterhält sich nicht auf gleicher Ebene.
und mal ehrlich, was ist das für eine Kritik. Eben drum - lassen wir lieber.
So, ich muss wohl mal länger antworten. Das wird schwierig.
Du schreibst: "mich interessiert nicht so stark der technische Aspekt der Kritik; alles andere schon."
Das bedeutet, dass eine Auseinandersetzung mit dem Bild nicht erwünscht ist. Ein Bild ist technisch emotional. Das heisst, wir haben hier eine gewisse Erwartungshaltung. Ein Bild besteht nicht nur aus Blende, Zeit und Brennweite. Das ist der zweite Teil. Der erste Teil besteht aus Motiv und seine Darstellung/Umsetung, es besteht aus einer "Geschichte" und seiner Interpretation. Diese Punkte sind aber sehr persönlich und vom Betrachter abhängig. Diese Punkte liegen nicht in der Gewalt des Fotografen. Unter diesem Aspekt ist die genannte "Arroganz" von deiner Seite zu verstehen. Es ist nicht persönlich. Deine Erwartungshaltung war, wir müssen doch das Bild so sehen, wie du das fotografiert hast. Diese Haltung ist aber so was von falsch. Es zeigt auch, dass der Fotograf hier seine Idee nicht umsetzen konnte, das heisst nun wortwörtlich, du hast deine Erwartungen, hier bei diesem Bild, nicht erfüllt.
Ich bleibe auch dabei, ein Schnappschuss muss genau so sorgfältig fotografiert werden, wie alle andern Bilder auch. Ansonsten ist es für den Müll. Für mich hinterlässt du den Eindruck eines unverstandenenFotografen. Bildkritik braucht vom Fotografeien eine offene Haltung und das in erster Linie gegenüber sich selber.
Weiter bin ich der Meinung, dass jede Idee für ein Bild, eine gute Idee ist. Die Frage liegt in der Umsetzung. Ich muss doch bereit sein, Bilder zu verwerfen, welche meine Idee nicht umsetzen. Wenn ich dann hier eine Bildkritik starte muss ich bereit sein auch zu scheitern und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Jeder Fotograf kann sich nur weiterentwickeln, wenn er scheitert. Das Scheitern ist aber schmerzhaft, aber lehrreich und bringt uns weiter. Es gibt keine perfekten Fotografen, auch keine berühmten perfekten Fotografen, sage ich jetzt mal.
In meiner Umgebung gibt es viele Berufs- und Amateurfotografen. Sie werden für ihre Fotos gelobt und mit Begeisterung überhäuft. Aber auch sie haben schiefe Horizonte, auslaufende Flüsse, Seen und Meere. Auch ihre Porträts haben angeschnitten Arme/Hände oder sonstige Gliedmassen. Ich nehme dies zur Kenntniss und lerne, durch die eigen Betrachtung und Interpretation, daraus.
"Und diese emotionale Ebene, die aus meiner Sicht eigentlich die Wichtigste beim Fotografieren ist, wird in dieser Rubrik komplett untergebuttert."
Wir sind hier schon in der Lage, die emotionale Ebene zu erkennen und zu würdigen. Nur gibt es Bilder, welche diese Ebene einfacher ansprechen, Kinder, Hunde und Katzen. Hier bekommst du Emotionen pur. Bei allen andern Motive hast du es schwer, je weniger im Bild sichtbar, um so schwerer und wie abstrakter und ausgesuchter, noch schwerer. Um so wichtiger, wird dann aber auch die Perfektion des Bildes. Es muss richtig belichtet sein und das Motiv muss genauer fotografiert sein. Jeder Fehler lenkt vom Motiv und seiner Bildaussage ab.
Wird deine Erwartungshaltung nicht erfüllt, musst du die Mängel bei dir suchen. Du bist der Fotograf, du bist für das Bild und seine Aussage verantwortlich. Wir haben keine Schuld. Wir interpredieren das Bild aus unserer Sicht und aus unserer Erfahrungen.
"Nur dann ist es eben am besten, man beendet, weil man unterhält sich nicht auf gleicher Ebene."
Generell gilt bei einer Bildkritik die Regel, dass beide Seiten recht haben. Eine offene, nicht behinderrnde Kommunikation ist unerlässlich. Ein Dialog muss geführt werden. Fragen und Antworten gehören zur Bildkritik. Andere Sichtweisen eröffnen auf beiden Seiten neue Ansichten und Erkentnissen. Die Bidbesprecher und der Fotograf befinden sich nie auf gleicher Ebene. Das ist unmöglich. Beide Seiten können sich aber annähern, müssen sich aber nicht.
Nochmals:
Am Anfang einer Bildbesprechung steht das Betrachten des Bildes. Was ich sehe, ist das Entscheidende. Wie sagte mein "Mentor", das Bild muss aufgeräumt werden. Erst danach kommen die Emotionen ins Spiel, wie wirkt das Bild auf mich, was löst es in mir aus, wie spricht es mich an usw.
Solange muss der Fotograf zu seinem Bild schweigen und zuhören, hier mitlesen. Erst danach darf er seine Idde und Interpretation mitteilen.
Hier kommt der Punkt der Ebenenangleichung oder eben auch nicht. Egal, solange beide Seiten auf gegenseiteigen Respekt und freie Meinungsäusserung achten, ergibt sich einen Dialog von welchem beide Seiten proftieren können.
Hier, explizit für dieses Bild gesprochen, bekomme ich aber nicht diesen Eindruck.
Und nun der letzte Punkt:
Andreas schrieb: "Dieter, ohne, daß ich dein Bild dahingehend irgendwie qualifizieren möchte."
Darauf war meine Antwort: "Es ist nicht mein Bild. Da wäre das Glas ganz drauf und hochkant fotografiert."
Da wir beide Dieter heissen, könnte hier ein Missverständnis vorliegen und Andreas hat sich ungenau ausgedrückt.
Aber egal, es ist wirklich nicht mein Bild, es ist dein Bild.
Bei einem Usertreffen bekommts du von jedem Fotografen ein anderes Bild deines Weinglases. Alle fotografieren ihre Abstraktion der Wirklichkleit. Und das ist gut so.
So, fertig für heute.