Hallo Artmano,
ich habe hier nichts zu verteidigen und antworte, weil ich die Diskussion interessant finde.
Möglicherweise irre ich mich erheblich, aber mir kommt es so vor, als werde mit jeder Fotografie, wenn sie nicht der Dokumentation dient, Symbolik betrieben - mal mehr, mal weniger. Auf jedem Bild soll doch mehr dargestellt werden, als das, was man sieht: eine Bedeutung, eine Idee, ein Gefühl. Ob es ein Hund ist oder ein Sonnenuntergang oder ein Hochhaus oder eine Blume - die Motive werden meines Erachtens alle deswegen fotografiert, weil sie für den Fotografen eine Bedeutung haben, die er mit dem Bild verbindet und die er in dem Bild erfassen und zum Ausdruck bringen will.
Natürlich verbinden die Fotografen mit ihren Bildern nicht alle die gleichen Empfindungen und Überlegungen. Es kann darüber diskutiert werden. Vielleicht versteht man dann, was der andere mit dem Bild einfangen und mitteilen will. Oder auch nicht, und es kann sein, dass man eine Abneigung gegen das hat, was mit dem Bild dargestellt wird, ob konkret oder abstrahiert.
Bekanntermaßen gibt es Menschen, die das Abbilden von anderen Menschen scharf ablehnen und für fluchwürdiges Tun halten, und zwar aus respektablen Gründen, die man aber möglicherweise nicht kennt. Auch wenn hierzulande die Unterschiede in der Bewertung nicht so stark sind, so haben doch alle Menschen unterschiedliche Erfahrungen und Wertvorstellungen und beurteilen die Dinge, nicht nur Fotografien, anders als andere.
Im Falle von Virgils Bild sehe ich gerade in der Symbolik, in der starken Abstraktion, in der Reduktion auf wenige, markante Elemente den Wert des Bildes. Ein solches Bild verlangt Eigenleistung bei der Interpretation, es fordert den Betrachter und bleibt rätselhaft oder nichtssagend, wenn kein Zusammenhang erkennbar ist.
So knüpfen viele Menschen besondere Empfindungen an Musikstücke, weil sie zum Beispiel im Zusammenhang mit für sie persönlich bedeutsamen Vorgängen stehen. So ist es auch bei Bildern, und auch weniger einschneidende Erfahrungen, Erinnerungen, die jeder anders hat, führen zu unterschiedlichen Bedeutungen.
Daraus folgt, dass es keine allgemeingültige, für alle genau gleiche Beurteilung und Bewertung weder von Bildern, noch von sonst etwas geben kann.
Gewisse Werte werden von fast allen anerkannt, aber auch mit persönlichen Differenzierungen. Kleine Kinder, kleine Hunde zum Beispiel sprechen das Gefühl an und gefallen fast jedem.
Die Figur des David beeindruckt mich, weil ich mir vorstelle, wie - der Sage nach - dieser Mann sich für andere eingesetzt und was er riskiert hat, und wie sein Sieg über Goliath seine und die Lage seiner Leute schlagartig von Verzweiflung und Not befreit hat. Die meisten Menschen sind beeindruckt, wenn ein Schauspieler in Theater oder Film eine solche Rolle glaubhaft darstellt. Bei einem Bild wie dem besprochenen handelt es sich um eine Momentaufnahme aus einer solchen Szene.
Weglassen soll doch eine Tugend des Fotografen sein. Wenn das nicht falsch ist, dann hat Virgil gerade durch Weglassen Wesentliches hervorgehoben.
Dies, um zu erklären, weshalb mir das Bild gefällt. Mir ist klar, und das habe ich vorstehend vielleicht auch darlegen können, dass andere Betrachter zu ganz anderen Bewertungen kommen mögen, mit ebensoguten Gründen, die ich nicht geringer achte als die meinen.
Grüße, Heinz